Schlossgartenhof – Oma Trude
Der Glühwein-Pionier aus Rheinhessen:
Wie die Marke „Oma Trude“ den Glühwein revolutioniert
Stefan Kolb ist kein typischer Winzer. Der studierte Betriebswirt mit Master in internationalem Weinmarketing kam über Umwege zum Weingut Schlossgartenhof in Saulheim, Rheinhessen. Heute führt er den Betrieb gemeinsam mit seiner Schwester Britta und Schwager Meik Dörrschuck – und hat eine Nische entdeckt, die nur wenige bedienen: hochwertigen Winzerglühwein. Unter der Marke „Oma Trude“ beliefert das Weingut Weihnachtsmärkte in ganz Deutschland.

In der Nische liegt das Glück. Bei uns geht mittlerweile fast jeder zweite Liter, den wir produzieren, in den Glühweinbereich. Und übrigens: Ein guter Glühwein schmeckt auch kalt – ein schlechter nicht.
Stefan Kolb
Der ungewöhnliche Weg ins Weingut
Wie sind Sie eigentlich zum Weinbau gekommen? Bei vielen Winzern ist das ja eine Familientradition von Kindesbeinen an.
Das war bei mir nicht der klassische Weg. Ich bin auf einem landwirtschaftlichen Betrieb mit Weinbau und Ackerbau groß geworden, zusammen mit meinen zwei Geschwistern. Als Jüngster der drei hat sich die Frage, ob ich den Betrieb übernehme, nie gestellt: Das war meinem älteren Bruder vorbehalten, der den Ackerbaubetrieb führt.
Ich bin von Haus aus Betriebswirt, habe dual studiert und später einen Master im internationalen Weinmarketing draufgesetzt. Zehn Jahre lang war ich dann in der Weinbranche für eine Kellerei und in der Interessensvertretung für die deutschen Winzergenossenschaften unterwegs.
Und wie kam dann der Wechsel ins Weingut Schlossgartenhof?
Meine Schwester hat in das Weingut der Familie Dörrschuck eingeheiratet. Und ich wurde quasi mit eingeheiratet, so formuliere ich das gerne. Nach zehn Jahren im Berufsleben stellte sich bei beiden Familienbetrieben die Frage nach zusätzlicher Unterstützung. So bin ich heute in beiden Betrieben tätig.
Zusammen mit meinem Bruder Thomas führe ich einen rheinhessischen Gemischtbetrieb mit Acker- und Weinbau. Im Weingut machen wir das zu dritt: meine Schwester Britta, mein Schwager Meik und ich.
Der Betrieb heißt Schlossgartenhof und nicht etwa Weingut Kolb oder Dörrschuck. Woher kommt der Name?
Der Hof wurde vor ein paar Jahrhunderten auf der Parzelle eines Schlossgartens errichtet, wo früher einmal eine Burg stand. Daher der Name. Und für unsere Glühwein-Spezialität arbeiten wir ohnehin nicht mit dem Weingutsnamen, sondern mit der Marke Oma Trude, benannt nach der Mutter meines Schwagers, Trude Dörrschuck, die die Urrezeptur für unseren Glühwein entwickelt hat.

Die Entdeckung einer Nische: Winzerglühwein
Was hat Sie dazu gebracht, sich auf Glühwein zu spezialisieren? Das ist ja eher ungewöhnlich für ein Weingut.
Als ich 2014 eingestiegen bin, haben wir uns die Zahlen angeschaut. Da fiel mir auf, dass die Literanzahl an Flaschenwein genauso groß war wie die Menge an Glühwein, die wir für zwei Weihnachtsmarktkunden produzierten. Da wurde mir klar: Hier könnte eine Nische liegen.
Übrigens: 2012 gab es eine wichtige Gesetzesänderung: Der Begriff Winzerglühwein wurde erstmals genau definiert. Winzerglühwein bedeutet, dass die komplette Traubenproduktion im eigenen Weingut stattfinden muss. Da weiß man dann auch, wer es verbockt hat, wenn er schlecht ist.
Wie groß ist der Glühweinbereich heute im Vergleich zum klassischen Flaschenwein?
Wir kommunizieren, dass jeder dritte Liter in den Glühwein geht, aber in ertragsmäßig schwächeren Jahren sind wir heute schon fast bei der Hälfte unserer Produktion. Wir sprechen von über 500.000 Tassen, die ausgeschenkt werden: Das sind mehr als 100.000 Liter Glühwein. Und unser größter Tank fasst nur 10.000 Liter. Da kann man sich vorstellen, wie herausfordernd es ist, vom Anfang bis zum Ende der Saison ein einheitliches Produkt anzubieten.
Wann beginnt bei Ihnen die Glühwein-Saison?
Ich sage immer „Bei uns ist es wie bei den Winterreifen“: von O bis O. Oktober bis Ostern ist Glühweingeschäft.
Was macht guten Winzerglühwein aus?
Viele verbinden Glühwein mit Kopfschmerzen und billigem Massenprodukt. Was machen Sie anders?
Früher war der Markt quasi monopolisiert. Die Gerstacker Kellerei in Nürnberg mit ihrer Marke „Christkindl“ hat von sich selbst gesagt, dass sie 80 Prozent des Glühweinmarktes in Deutschland bedienen. Bei solchen Massenprodukten sind oft Cuvées aus Süd- oder Südosteuropa die Grundlage, die dann mit Fertigaromen versetzt werden.
Wir gehen einen anderen Weg: Unsere Grundweine liegen qualitativ auf dem Level unserer Gutsweine: sauber ausgebaut, keine Fehler, keine Reste aus dem Keller. Der Wein wird trocken ausgebaut und erst vor der Füllung mit Zucker aufgesüßt. Wir verwenden heimischen Rübenzucker. Mit dem Ackerbaubetrieb meines Bruders bauen wir selbst Zuckerrüben an, sodass wir das im Kreislauf halten können.
Und die Gewürze?
Wir verzichten komplett auf Fertigaromen. Stattdessen kochen wir einen klassischen Sud mit Zimtstangen, Zucker und den anderen Gewürzen auf – eigentlich so, wie man es im Kleinen selbst auf dem Herd machen würde, nur eben in größerem Format. Wir machen einen 10.000-Liter-Tank fertig, statt der fünf Liter, die man zu Hause für Freunde zubereiten würde.

Die Rebsorten hinter dem Glühwein
Welche Rebsorten stecken in Ihren Glühweinen?
Im roten Bereich liegt der Schwerpunkt auf Regent, einer pilzwiderstandsfähigen Sorte. Die macht aus unserer Sicht einen besseren Glühwein als der typische Dornfelder, der in Rheinhessen sonst verbreitet ist. Der Dornfelder ist von Natur aus schon sehr fruchtig, mit zusätzlicher Aromatisierung wird das schnell „too much“.
Beim weißen Glühwein arbeiten wir hauptsächlich mit Silvaner und Müller-Thurgau. Für den Rosé ist es meistens der Portugieser. Das kommunizieren wir als Leitrebsorten, aber letztlich ist es immer ein Cuvée, um über die gesamte Saison ein konstantes Produkt liefern zu können.
Rosé-Glühwein ist ja noch relativ neu.
Genau, das erlaubt das Weingesetz erst seit 2022. Vorher war vorgeschrieben, dass Glühwein nur aus Rot- oder Weißwein hergestellt werden darf. Wir haben damals mit dem Namen „Herbstherbst“ gearbeitet, um Rosé-Glühwein etablieren zu können. Wir durften nur nicht „Glühwein“ auf das Etikett schreiben, obwohl es eigentlich das gleiche Produkt war.

Die Zukunft der Rebsorten: Piwis und ihre Grenzen
Regent ist eine der ersten pilzwiderstandsfähigen Rebsorten. Wie bewerten Sie die Zukunft der Piwis generell?
Ich glaube, dass sie ein Teil der Zukunft sind, aber nicht die alleinige Zukunft. Rein weinbaulich und aus Pflanzenschutzperspektive betrachtet wären Piwis ideal. Aber es hängen noch viele andere Faktoren dran.
Im weißen Bereich haben wir für den Glühweinmarkt noch keine passende Piwi-Sorte. Wir bräuchten ein Pendant zu Müller-Thurgau und Silvaner – einfachere Grundweine mit entsprechendem Mengenpotenzial und nicht zu spezifischer Aromatik. Die weißen Piwis gehen oft in Richtung Grauburgunder, Sauvignon Blanc oder Riesling-Aromatik.
Und im Flaschenweinbereich?
Da haben wir auch Sauvignon Gris und andere Piwis in kleinen Flächen. Allerdings braucht es beim Endverbraucher noch viel Erklärung. Wenn eine unbekannte Sorte im Regal bei Rewe oder Aldi steht, kann der Kunde nicht einordnen, ob das seinem Geschmack entspricht. Bei Grauburgunder oder Riesling weiß er sofort Bescheid.

Sie haben auch Einblicke in die Vermarktung über den Lebensmitteleinzelhandel?
Ja, durch meine Zeit in der Kellerei, bei den Genossenschaften und den Ackerbaubetrieb, der Trauben an eine Erzeugergemeinschaft liefert, kenne ich die verschiedenen Strukturen. Über 80 Prozent der Weine werden im Lebensmitteleinzelhandel vermarktet. Bei gut sortierten Märkten mit geschultem Personal funktioniert das noch, aber bei Discountern ist die Nachfrage nach einzelnen Piwi-Sorten schlicht nicht da, weil die Mengen fehlen.
Und dann ist da die langfristige Perspektive: Wenn ich heute einen Weinberg anlege, steht der 30 Jahre. Was in 20 oder 30 Jahren für Sorten gefragt sind, wissen wir nicht. Im Ackerbau können wir im nächsten Jahr etwas anderes anbauen, im Weinbau legen wir uns einmal fest.

Stefans drei Weinempfehlungen
Wenn Sie nur drei Produkte empfehlen dürften, welche wären das?
1. Oma Trude Heißherbst (das Herzstück)
Der Winzerglühwein unter der Marke „Oma Trude“ ist das, wofür der Schlossgartenhof weit über Rheinhessen hinaus bekannt ist. Zur Winterzeit findet man ihn auf zahlreichen Weihnachtsmärkten in ganz Deutschland. Dort wird er klassisch heiß ausgeschenkt: aromatisch, würzig und mit der Qualität, die nur ein echter Winzerglühwein aus eigener Traubenproduktion bieten kann.
Der besondere Tipp von Stefan Kolb: „Ein guter Glühwein schmeckt auch kalt, ein schlechter nicht.“ Der Heißherbst-Rosé eignet sich deshalb perfekt als sommerliche Erfrischung auf Eis. Das klingt zunächst ungewöhnlich, ist aber gleichzeitig der beste Qualitätstest. Wer sich davon überzeugen möchte, dass hier keine Fertigaromen und billigen Grundweine im Spiel sind, probiert den Oma Trude einfach mal gekühlt mit Eiswürfeln. Die Überraschung ist garantiert.
2. Spargeltarzan (der Wein zur Spargelsaison)
Das ist unsere Cuvée aus Silvaner, Sauvignon Blanc und je nach Jahrgang Weißburgunder oder Chardonnay. So wie wir im Winter mit „Oma Trude“ präsent sind, wollen wir mit dem Spargeltarzan von April bis Juni punkten, überall dort, wo es Spargel zu kaufen gibt. Ob beim Spargelerzeuger, in der Gemüseabteilung bei Rewe oder in der Gastronomie.

3. Naturvertrauen (alkoholfrei)
Das ist unser neuestes Experiment: ein entalkoholisierter Wein mit Aromarückgewinnung. Das Besondere daran: Beim Entalkoholisieren gehen normalerweise viele Aromen verloren, weshalb alkoholfreie Weine oft eher geschmacksneutral schmecken. Durch die Aromarückgewinnung wird dem Wein sein natürlicher Geschmack zurückgegeben, so schmeckt er wirklich nach Wein.
Wir testen ihn gerade bei unseren Veranstaltungen und holen direktes Feedback ein. Die ersten paar hundert Flaschen werden bis Jahresende ausverkauft sein, im Online-Shop wird er bald verfügbar sein. Ein spannender Nischenmarkt, etwa für Gäste, die keinen Alkohol trinken wollen. In Frankfurt testen wir das Produkt bereits in Restaurants mit marokkanischer Küche.
Nachhaltigkeit: Fair and Green statt Bio
Sie sind Fair and Green zertifiziert, aber nicht Bio. Warum diese Entscheidung?
Wir haben uns 2023 bewusst für Fair and Green und gegen Bio entschieden. Bei einer Bio-Zertifizierung hätten wir in niederschlagsreichen Jahren ein erhöhtes Mengenrisiko: Wir könnten möglicherweise nicht mehr die Mengen produzieren, die wir für die Vermarktung benötigen. Außerdem bräuchten wir statt der üblichen 8 bis 10 Pflanzenschutzfahrten eher 14 bis 17, also ein erheblicher Mehraufwand.
Mit Fair and Green werden wir jährlich auditiert und der komplette Betrieb wird betrachtet, nicht nur Teilbereiche wie bei Bio. Das passt zu unseren Stärken: Mein Schwager ist beispielsweise sehr vernetzt in der Landtechnik. Wir sind Testbetrieb für Fendt-Traktoren, einen E-Traktor fahren wir schon seit Jahren im Test. Diese Innovationsfreude zahlt auf eine Nachhaltigkeitszertifizierung ein, wäre bei Bio aber völlig irrelevant.
Der Blick nach vorn: Vom Angler und vom Fisch
Was treibt Sie an, diese ungewöhnlichen Wege zu gehen?
In meiner Zeit beim Deutschen Raiffeisenverband habe ich früher viel von Werner Kirchhoff gelernt (der die Moselland, die größte Genossenschaft an der Mosel, jahrelang geleitet hat). Er hat einen Grundsatz geprägt: „Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.“
Viele Winzer produzieren am liebsten das, was ihnen selbst am besten schmeckt. Das ist oft auch nicht schlecht. Aber man muss das Produkt immer vom Zielmarkt her denken. Einen schönen Wein machen können heute viele (du kannst dir als Winzer nicht mehr erlauben, einen schlechten Wein abzufüllen). Die Basis muss stimmen. Und dann geht es darum, die richtige Nische zu finden.
Letztlich erleben wir das auch bei Verkostungen. Als letztes Jahr ein Sommelier bei uns war, der die Parker-Punkte vergibt (jemand, der sonst bei VDP-Weingütern ein- und ausgeht), da fing das Naserümpfen schon an, bevor er überhaupt probiert hatte. Aber dann war die Überraschung groß. Das erleben wir oft: Erst skeptische Blicke, dann ehrliche Begeisterung.
Die Weine des Weinguts Schlossgartenhof sind über den Online-Shop erhältlich oder direkt vor Ort in Saulheim, nur 15 Kilometer südlich von Mainz. Wer den Glühwein „Oma Trude“ probieren möchte, findet ihn in der Weihnachtszeit auf zahlreichen Märkten in ganz Deutschland – von Rheinhessen bis Hannover.



Oma Trude – Heißherbst
Portugieser als Basis. Am besten im gläsernen Becher servieren, denn er funkelt so schön rosa. Koste Flammlachs zum Heißherbst.

Spargeltarzan (feinfruchtig)
Das feinfruchtige Weißweincuvée von Winzer Meik Dörrschuck brilliert dazu mit Silvaner, Chardonnay und dem fruchtbetonten Sauvignon Blanc.

Traubenpunsch (alkoholfrei)
Bester Traubensaft ist die Grundlage dieses Glühpunsches. Und ja, die Trauben reifen ebenfalls in Saulheimer Weinbergen.
Qualität in der Nische
Stefan Kolb und das Team vom Weingut Schlossgartenhof zeigen, dass man auch abseits der klassischen Weinpfade erfolgreich sein kann. Die Spezialisierung auf hochwertigen Winzerglühwein ist mutig und zahlt sich aus. Mit durchdachten Konzepten wie dem Spargeltarzan für den Frühling und dem Heißherbst-Rosé für den Sommer beweist das Weingut, dass Innovation und Tradition keine Gegensätze sein müssen.
Wer bei Glühwein bisher an Kopfschmerzen und Massenware gedacht hat, sollte Oma Trude eine Chance geben: Entweder zur Weihnachtszeit oder auch im Sommer, dann aber mit Eiswürfeln.
Weingut Schlossgartenhof
Untergasse 9
55291 Saulheim
Website: https://schlossgartenhof.de
Rebfläche: 37 Hektar
Besonderheit: Spezialisierung auf hochwertigen Winzerglühwein unter der Marke „Oma Trude“, Fair and Green zertifiziert.


