H.L. Menger
13 Generationen Weinbau:
Von der Rheinromantik bis nach China
Dagmar Rückrich-Menger führt gemeinsam mit ihrem Mann Horst das Weingut H.L. Menger in Eich am Rhein. Die Familiengeschichte reicht zurück bis ins Jahr 1669 – mittlerweile bewirtschaftet die 13. Generation die 15 Hektar Rebfläche. Das Besondere: Neben klassischen rheinhessischen Weinen pflegt die Familie zwei historische Raritäten, die in Deutschland nahezu ausgestorben sind. Und während viele Winzer regional denken, versendete Familie Menger ihre Weine schon im 19. Jahrhundert nach England und bis vor wenigen Jahren sogar nach China.

Wir legen besonderen Wert auf gut trinkbare Weine, von denen man gern eine zweite Flasche öffnet.
Dagmar Rückrich-Menger
Das einzige Weingut im Ort: Eine Geschichte seit 1669
Ihre Familie betreibt Weinbau seit wie vielen Generationen?
Wir können die Geschichte der Familie Menger hier in Eich bis ins Jahr 1669 zurückverfolgen. Unsere Tochter ist mittlerweile die 13. Generation. Übrigens sind wir das einzige Weingut hier im Ort – die Gemeinde ist traditionell eher landwirtschaftlich geprägt.
Das ist eine außergewöhnlich lange Tradition. Ich sehe, Sie haben auch ein Familienwappen mit dem Buchstaben „M“. Steht das für Menger?
Das denken viele, aber nein, es sind tatsächlich nur geschrägte Balken, auch wenn sie optisch an ein M erinnern. Nach heraldischen Regeln darf der Buchstabe M in Wappen ausschließlich vom Papst für Maria vergeben werden, deshalb mussten wir bei der Gestaltung darauf achten.
Viele traditionsreiche Weingüter haben solche historischen Wappen, aber ich muss ehrlich sagen: Wir nutzen es im Alltag kaum noch. Es ist grafisch einfach zu komplex – zu viele Details für moderne Anwendungen wie T-Shirts oder Werbeträger. Deshalb haben wir ein stilisiertes Logo entwickelt, das auf unser historisches Kreuzgewölbe anspielt. Das ist zeitgemäßer und lässt sich besser einsetzen. Das Wappen existiert natürlich weiterhin, aber für die praktische Arbeit ist das moderne Logo einfach funktionaler.
Arbeitet die gesamte Familie im Weinbau mit?
Bei der nächsten Generation ist es so: Die Söhne sind komplett aus dem Betrieb raus. Unsere Tochter arbeitet im Weingut mit, hat aber hauptberuflich auch noch eine andere Tätigkeit: Sie ist im hessischen Landwirtschaftsministerium tätig.

Vom Mischbetrieb zum reinen Weingut
War das Weingut immer so spezialisiert wie heute?
Nein, historisch betrachtet war das ganz anders. Der typische rheinhessische Landwirt strebte nach Autarkie, man wollte alles selbst anbauen, was man zum Leben brauchte. Da unsere Böden sehr fruchtbar sind, gab es viel Ackerbau. Vieh war weniger wichtig, denn für Weidehaltung ist der Boden hier eigentlich zu gut. Der Wein war traditionell etwas, das man zusätzlich hatte, gewissermaßen für den Genuss.
Wann wurde der Weinbau zum Haupterwerb?
Das entwickelte sich im 19. Jahrhundert. Ich weiß zum Beispiel, dass meine Schwiegergrossmutter bereits Weine nach England exportiert hat. Sie war früh Witwe geworden und musste den Betrieb allein führen. Mein Schwiegervater hat dann das Flaschenweingeschäft stark ausgebaut.
Als wir 1985 übernommen haben, haben wir in den ersten Jahren die gesamte Landwirtschaft aufgegeben. Seit 1990 machen wir ausschließlich Wein.
Was hat zu dieser Spezialisierung geführt?
Das hing damit zusammen, dass ich selbst aus einem Weingut stamme. Als wir geheiratet haben, kam quasi die Rebfläche meines elterlichen Betriebs dazu. Wir haben die beiden Betriebe zusammengeführt oder besser gesagt: Wir haben meinen Betrieb eingesaugt.

Weinexport mit Überraschungen: Von England bis China
Der Export nach England ist ja ungewöhnlich für ein kleines deutsches Weingut …
Ja, meine Schwiegergrossmutter hat das schon im frühen 20. Jahrhundert gemacht. Ich habe in den 80er und 90er Jahren versucht, dieses Englandgeschäft wieder zu beleben, weil ich sehr anglophil bin. Leider hat das überhaupt nicht funktioniert.
Exportieren Sie heute noch in andere Länder?
Ja! Aktuell sehr viel nach Belgien, etwas nach Dänemark und bis vor Corona haben wir auch nach China exportiert.
Nach China? Das ist wirklich überraschend!
(lacht) Ja, das war sehr spannend. Wir hatten nur einen Kunden in China, wir sind ja kein großes Weingut und hätten auch keinen zweiten dieser Größenordnung bedienen können. Aber wir sind jedes Jahr nach China geflogen und haben ihn vor Ort besucht.
Wie kommt man als kleines deutsches Weingut zu einem Kunden in China?
Durch reinen Zufall! Mein Mann war auf einer Weinmesse in Hamburg. Er rief mich an und erzählte, er habe einen Chinesen kennengelernt, der Wein kaufen wolle. Ich dachte mir: Ja, die Leute erzählen viel, nicht wahr?
Mein Mann sagte, er treffe sich abends noch einmal mit ihm, bei McDonald’s am Bahnhof. Da dachte ich: Mein Gott, was ist denn das für eine Geschichte? So naiv kann man doch gar nicht sein!
Aber 14 Tage später war dieser Kunde mit einem Begleiter tatsächlich bei uns auf dem Betrieb, hat sich alles angeschaut, Details besprochen und zwei Monate später haben wir den ersten Überseecontainer geladen.
15 Hektar Rebfläche: Wie bewältigt man da die Versorgung verschiedener Märkte?
Mein Großvater hat immer gesagt: Man muss so planen, dass man einen Jahrgang auf der Bank hat, einen Jahrgang im Keller und einen Jahrgang auf der Flasche. Das gibt einem Spielraum, wen man wann beliefert und wie lange man bestimmte Chargen verkauft.
Alles, was Sie im Export gemacht haben, war also nicht strategisch geplant?
Kann man so sagen. Alles, was wir in dieser Richtung gemacht haben, ist nie mit Ansage passiert. Es war immer zufällig. Wir kamen da immer dazu wie die Jungfrau zum Kind. Es ist reiner Zufall und hat nichts damit zu tun, wie gut man ist. In dem Moment sieht dich jemand und denkt: Ja, das passt!
Aber natürlich: Wenn die Qualität des Weins nicht stimmen würde, wäre so eine Partnerschaft auch schnell wieder zu Ende.

Historische Schätze: Malvasier und Muscat d’Eisenstadt
Jedes Weingut hat eine eigene Philosophie. Was ist Ihre?
Wir legen besonders viel Wert auf gut trinkbare Weine, von denen man gern eine zweite Flasche öffnet. Wir haben nie danach gestrebt, in die absolute Spitze zu kommen. Der Anspruch an Qualität ist natürlich da, aber was nutzt es mir, wenn ich die tollsten Weine mache, die über 30 Euro kosten und ich kann sie nicht verkaufen?
Was macht Ihr Weingut besonders?
Die große Besonderheit ist, dass wir uns unser ganzes Weinleben lang zwei historische Rebsorten geleistet haben. Von einer habe ich sogar die Erhaltungszucht in Deutschland: Das ist der Frührote Malvasier.
Das ist ein Weißwein, heißt aber „frührot“, weil die Traube so aussieht wie Grauburgunder oder Gewürztraminer.
Die andere historische Sorte ist der Muscat d’Eisenstadt. Der wurde im Zuge einer ampelographischen Recherche wiederentdeckt, direkt am Keller beziehungsweise am Garteneingang meiner Mutter. Der Rebstock, der dort steht, ist weit über 100 Jahre alt.
Es ist tatsächlich eine blaue Traube, die sehr aromatisch schmeckt. Wir haben das analysieren lassen und es war wie ein kleiner Sensationsfund: Die Sorte galt seit den 50er Jahren als restlos ausgestorben. Es ist quasi eine Urform vom Muskateller.
Warum sind diese historischen Sorten ausgestorben, wenn sie so besonders sind?
Diese historischen Sorten sind nicht ohne Grund historisch. Es ist sehr wichtig, dass man das alte genetische Material bewahrt, aber es hat schon Gründe, warum man die Nachzüchtungen weiterentwickelt hat und nicht bei den Urformen geblieben ist.
Aber für jemanden, der in die Geschichte des Weins eintauchen möchte und schauen will, wie so eine Urform schmeckt, für den ist das durchaus etwas Besonderes.

Die Jagdweine: Kunst auf der Flasche
Auf Ihrer Website habe ich die beeindruckenden Jagdmotive gesehen. Was hat es damit auf sich?
Ja, das ist eine ganz besondere Linie. Wir arbeiten seit 1999 mit dem renommierten Jagdmaler Dieter Schiele zusammen. Wir fahren quasi eine Sonderedition zum Thema Jagd. Das heißt: Fast alle unsere Weine gibt es auch mit einem jagdlichen Etikett.
Wir sind in der Jagdszene sehr aktiv. Wir begleiten viele Köche, die sich auf Wildfleisch spezialisiert haben, beim Thema Weinauswahl zu Wildgerichten.
Die Etiketten sehen aus wie kleine Kunstwerke.
Genau. Es sind Gemälde. Die Motive von Dieter Schiele, deren Nutzungsrechte wir seit über 20 Jahren haben. Wir arbeiten seit 1999 mit ihm zusammen und seit 2003 schmücken seine Jagdmotive unsere Etiketten.
Kosten die Jagdweine mehr als die normalen Weine?
Nein, überhaupt nicht. Die Jagdmotive sind dieselben Weine wie unsere Standardetiketten. Jeder Wein hat eine dreistellige Bestellnummer und wenn man das Jagdmotiv möchte, hängt man einfach ein „J“ dahinter. Also zum Beispiel 304J oder 107J. Jeder Wein hat ein festes Jagdmotiv, die Motive sind nicht wählbar.
Das macht sich sicher gut als Geschenk für Jäger oder bei Firmenjubiläen.
Absolut! Gerade wenn jemand etwas Besonderes sucht, auch optisch, dann machen die Jagdetiketten wirklich viel her.

Weinempfehlungen: Vom Riesling bis zum Chardonnay
Wenn ich bei Ihnen drei Weine probieren sollte, welche wären das?
Da bekommen Sie von meinem Mann und mir unterschiedliche Antworten! Wir sind beide vom Fach und ich bin auch als internationale Sensorikerin unterwegs. Aber wir haben einen völlig unterschiedlichen Feingeschmack.
Aber es gibt drei Weine, die das Besondere unseres Weinguts zeigen:
1. Der Frührote Malvasier – Luthers Lieblingswein
Der Malvasier ist mein absolutes Herzensthema. Ich führe die Erhaltungszucht dieser Rebsorte in Deutschland. Was macht diesen Wein so besonders, dass sowohl Shakespeare als auch Martin Luther ihn zu ihrem Lieblingswein erklärt haben? Es ist sein einzigartiger Geschmack, sein voller Körper und diese Reife, die man in jedem Schluck spürt.
Wir bauen ihn in verschiedenen Varianten aus: als trockenen Weißwein von der Lage Bornheimer Hähnchen, als liebliche Variante und sogar als Secco. Besonders stolz bin ich auf „Die Mengerin“, unseren Malvasier trocken im Barrique ausgebaut. Mit mir probiert man am besten diese Zeitreise ins dunkle Mittelalter.
Im Mittelalter zählte der Malvasier zu den begehrtesten Handelsgütern, hauptsächlich verzehrt von reichen Kaufleuten und dem Klerus. Heute spielt die Rebsorte in Deutschland kaum noch eine Rolle. Bereits seit mehreren Generationen kümmert sich unsere Familie Menger um die Erhaltungszucht dieser Mittelalterrebsorte, damit auch spätere Generationen sie noch probieren können.
2. Chardonnay
Ich bin absolute Chardonnay-Trinkerin. Alles, was sich rund um den Chardonnay bewegt, fasziniert mich. Wir haben einen wunderbaren Chardonnay als Gutswein – frisch, elegant, perfekt für den Alltag oder als Begleiter zu leichten Gerichten.
Mein Favorit ist aber „Die Mengerin“ Chardonnay, im Barrique ausgebaut. Der hat Tiefe, Komplexität und gleichzeitig diese Trinkfreude, die mir wichtig ist. Das ist kein Wein, der erschlägt, sondern einer, bei dem man wirklich Lust auf ein zweites Glas bekommt.
3. Riesling
Besonders stolz ist er auf den Riesling von der Alsheimer Frühmesse. Wir haben ihn als Lagenwein und auch in der „Rittmeister“-Selektion, benannt nach meinem Schwiegergrossvater Johann Leonhard, dessen Liebe für hervorragende Weine das hohe Qualitätsstreben unserer Familie begründete. Auch den Riesling vom Westhofer Brunnenhäuschen würde er Ihnen ans Herz legen.
Bezugsquellen: Tradition trifft bewusste Kundenbindung
Wo kann man Ihre Weine kaufen?
Nur bei uns. Ausschließlich im Direktvertrieb.
Wie funktioniert das genau?
Wir haben eine Mischung aus digital und analog. Man muss auf unsere Website gehen, sich dort umschauen und dann ein Kontaktformular ausfüllen oder eine E-Mail schicken mit der Bitte um die Weinliste. Dann wird die Liste zugeschickt.
Die Weinliste ist also nicht öffentlich einsehbar?
Nein, das ist nicht zeitgemäß, ich weiß. Aber ich nehme mir die Freiheit, wissen zu wollen, wer unsere Weinpreisliste anfordert.
Und dann kann ich bestellen und Sie versenden?
Genau. Sie können natürlich auch uns hier auf dem Weingut besuchen. Außerdem sind wir manchmal auf Messen (da muss man aktuell anfragen, wo wir gerade sind).
In welcher Preisklasse bewegen sich Ihre Weine?
Wir beginnen bei 7,90 Euro. Wir haben aber auch Weine für über 20 Euro. Der Großteil bewegt sich zwischen 7 und 13 Euro.
Zudem gibt es Probiersortimente für 49 Euro (41 € + 8 € Frachtkosten). Das ist eine gute Möglichkeit, wenn man die Weine noch nicht kennt und sich einen Eindruck verschaffen möchte. Dabei kann die Geschmacksrichtung aussuchen, ob rot, weiß oder gemischt.




13 Generationen und kein Ende in Sicht
Dagmar Rückrich-Menger verkörpert gemeinsam mit ihrem Mann Horst eine Winzerfamilie, deren Wurzeln über 370 Jahre zurückreichen. Das Weingut H.L. Menger ist weit mehr als ein Weinproduzent: Es ist ein lebendiges Geschichtsbuch des deutschen Weinbaus.
Die beiden historischen Rebsorten Malvasier und Muscat d’Eisenstadt bewahren genetisches Material, das anderswo verloren gegangen ist. Die Jagdweine mit den Kunstwerken von Dieter Schiele verbinden Genuss mit Ästhetik. Und die Exportgeschichte von England über Belgien bis China zeigt, dass auch kleine Familienbetriebe große Geschichten schreiben können.
Weingut H.L. Menger
Hauptstraße 12
67575 Eich
Website: https://www.weingut-menger.de
Rebfläche: 15 Hektar
Besonderheit: 13 Generationen Weinbautradition seit 1669, Erhaltungszucht des Frühroten Malvasiers (Luthers Lieblingswein) und exklusive Jagdweine-Edition.
